Historie der Lehrbaukästen von Philips und Schuco

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Philips Holland

Philips Bausätze

Vor den ersten Experimentierkästen gab es von Philips schon diverse Bausätze. Laut SprachkennzeichnungRadiomuseum hatte Philips bereits 1930 einen Volksempfänger entwickelt, der 1931 auf dem Testmarkt Prag als Bausatz und Fertiggerät angeboten wurde. Der Bausatz war komplett mit Zange und Schraubenzieher. Der Zusammenbau des batteriebetriebenen 3-Röhren-2-Kreisers wurde in einer Anleitung mit 96 Seiten beschrieben. Der Test fiel seinerzeit negativ aus und Philips blieb bei qualitativ hochwertigen Fertiggeräten.

Sehr erfolgreich sind dagegen die ab 1955 in Holland verkauften Bausätze (siehe: SprachkennzeichnungKoenen). An Entwicklung und Vertrieb waren mehrere Geschäftsbereiche von Philips beteiligt. Die Bauanleitungen wurden meines Wissens niemals in andere Sprachen übersetzt und diese Bausätze blieben somit außerhalb des niederländischen Sprachraumes weitgehend unbekannt.

Werbeabbildung

Als direkte Vorgänger der Experimentierkästen können die etwa 1957 bis 1960 produzierten Pionier Junior Radiobausätze gelten. Sie sind bereits vollständig mit Halbleitern bestückt. Für den Aufbau wird kein Lötkolben benötigt und zum Betrieb keine lebensbedrohliche Netzspannung! Der Pionier I braucht gar keine Stromquelle, ansonsten genügen handelsübliche Batterien. Die Bausätze sind absolut ungefährlich und schon für Kinder ab etwa 10 Jahren geeignet. Sie sind als Aufbausystem konzipiert. Zu Anfang gab es allerdings nur einen einzigen Pionier Junior, der später in Pionier II umbenannt wurde. Die beiden Grundkästen Pionier I und Pionier II konnten zunächst zum Pionier III ausgebaut werden. Ab dem Pionier II enthalten die Anleitungen mehrere Anregungen für Experimente. Zum Pionier III gab es von Philips eine separat erhältliche, kostenlose Zusatzanleitung mit weiteren Vorschlägen zum Ausbau des Radios. Für die großen Umbauten zum 2-Kreiser und Super wurden entsprechende Teilesätze angeboten.

Serie Pionier Junior
Gehäuse KM + KJ
Teilesatz 122.061 Pionier III
Super
Teilesatz 122.060 Pionier III
2-Kreiser
Pionier IIA Pionier III
Pionier IA Pionier II
(Pionier)
Pionier I

Holzgehäuse

Die Krönung für das Selbstbauradio war das Holzgehäuse KM mit der Frontplatte KJ für den Pionier III. Die grau unterlegten "Pioniere" gab es nicht als Komplettbausatz. Sie mussten aus einem Pionier I oder II und den entsprechenden Erweiterungen zusammengestellt werden. In Deutschland wurden alle diese Bausätze nicht angeboten und sind daher praktisch unbekannt. Auf eine nähere Beschreibung soll deshalb verzichtet werden. Der Vollständigkeit halber sei nur noch darauf hingewiesen, dass es für Erwachsene die Serie "Pionier Senior" gab. Mit Röhren, zum Löten und für Netzspannung! Bei weitergehendem Interesse siehe: SprachkennzeichnungGjerde, SprachkennzeichnungKoenen und SprachkennzeichnungSprachkennzeichnungOtten.

Aufbauend auf den Erfahrungen mit den Pionier Junior Radios wurde in den 1960er Jahren zunächst die Elektronikserie EE 10 von Philips Holland entwickelt. Die drei Empfängerschaltungen aus dem EE 10 entsprechen im Wesentlichen dem Pionier I, II und III. Auf die Elektronikserie EE 10 folgte schon bald die Serie EE 20, die dann weltweit vermarktet wurde. Die Bauplatte dieser Serie war zugleich die Basis einer ganzen Reihe von Experimentierkursen des Lehrinstituts Onken in der Schweiz.

Die Bautechnik mit Schraubklemmen aus den Pionier Junior Radios wurde bei den Radiobausätzen der Serie RE wieder aufgegriffen. Die Schaltungen basieren jedoch auf den Reflexempfängern C2 und C3 aus der Elektronikserie EE 20. Ein ganz ähnlich konstruierter Bausatz ist die Wechselsprechanlage IE 2000. Von Philips Holland wurden außerdem die Konstruktionskästen ME und Philiform, sowie die erste Generation der Elektronikserie EE 1000 entwickelt.

Ab etwa 1967 hat sich Philips Holland nach und nach aus der Baukastenproduktion verabschiedet. Es war die heiße Phase bei der Einführung des Farbfernsehens in Europa. Ein lukratives Geschäft, für das wahrscheinlich alle verfügbaren Ressourcen benötigt wurden. In Deutschland kosteten die ersten Farbfernseher etwa 2400 DM. Das entsprach ungefähr einem halben Neuwagen. Der als "Sparkäfer" vermarktete VW 1200 wurde damals für rund 4500 DM angeboten.

Das Baukastenprogramm wurde von nun an hauptsächlich durch Kästen aus Philips-Werken in anderen europäischen Ländern belebt. Offenbar aus Frankreich stammten der Tonbandbaukasten TR 1000, die elektronische Orgel EO 1001 und das Hovercraft-Fahrzeug VE 2001.

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Philips Deutschland

Briefkopf

In Deutschland wurden die Philips Experimentierkästen anfangs von der Abteilung für Lehrmittel betreut. Anfragen hatte dort immer ein gewisser "Klaus" beantwortet. Über weitere Aktivitäten dieser Abteilung liegen mir bisher nur sehr spärliche Informationen vor. So gab es beispielsweise das Übungssystem Practronics und Einrichtungen für Sprachlabors. Später auch die Experimentierkoffer "Elektronik in der Schule" und "Digitalelektronik in der Schule", sowie den Physikkasten PE 1550 als Klassensatz PE 1555.

Experimentierkoffer "Elektronik in der Schule"

Um 1969 hat Philips Deutschland die weitere Entwicklung der Experimentierkästen übernommen. Zuständig war die neue Abteilung "Technische Spielwaren und Lehrmittel". Ab 1970 wurden die Lehrmittel anscheinend wieder separat betreut. Für die Experimentierkästen gab es dann jedenfalls die Abteilung "Technische Spielwaren". Um 1978 wurde daraus der Bereich Hobby-Technik. Besagter "Klaus" war wohl noch bis zuletzt in dieser Abteilung beschäftigt, wie sich Frank Brennecke (JeanLuc7) im [extern, DEUTSCH]EE Forum erinnert.

Die erste Aktion in der Übergangsphase 1969/70 war die Neugestaltung des Kasten-Designs der beiden Grundkästen EE 1050 und EE 1003. Gleichzeitig wurde der große Kasten EE 1003 auch aufgeteilt in zwei Kästen (als EE 1010 und EE 1011) angeboten. Diese beiden Kästen waren zugleich der Grundstein für den parallel aufgebauten Vertriebsweg über das Großversandhaus Quelle. Diese besondere Form des Einzelhandels ermöglichte den Vertrieb der Experimentierkästen auch in ländlichen Gebieten ohne entsprechend ausgestattete Spielwarengeschäfte oder Warenhäuser.

Für eine größere Popularität in Deutschland sorgte der damals sehr bekannte und beliebte Astrophysiker SprachkennzeichnungProf. Heinz Haber, der ab 1969 ein Vorwort zu fast allen Philips-Anleitungen und Experimentier-Katalogen schrieb.

Richtig berühmt wurden die Philips Experimentierkästen aber erst im Jahr 1972 mit den Fernseh-Werbespots von Chemic und Tronic, sowie den Oszilloskop- und Fernseh-Baukästen EE 1007 und EE 1008. Sie standen ganz oben auf den Wunschlisten der technisch interessierten Jugend.

Die Erfolgsfaktoren der Experimentierkästen von Philips Deutschland
Quelle Elektronik Labor
Zusammenarbeit mit Quelle
Prof. Haber
Prof. Haber
Chemic und Tronic
Fernsehauftritte von Chemic und Tronik
Bildröhreneinheit
Die legendäre Bildröhreneinheit

Die Mechanik- und Philiform-Baukästen wurden von Philips Deutschland nicht mehr produziert. Dafür erschienen in den folgenden Jahren neue Baukästen zur Chemie, Physik und Computer-Technik. Hierbei gab es eine enge Zusammenarbeit mit den Labors und Forschungsinstituten des weltweiten Philips Konzerns. Pädagogische Unterstützung leistete das SprachkennzeichnungLI-Hamburg. Darüber hinaus wurden die Aktivitäten von den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW), heute Vattenfall, beratend und finanziell gefördert. Die HEW hatten eine eigene Schulabteilung. Viele Schulen haben die Philips-Kästen dadurch in größerer Zahl kostenlos über die HEW erhalten. Nachbestellungen waren über die Lehrmittelfirma SprachkennzeichnungEYDAM möglich. Auch bei dem später entwickelten Master Lab 6400 gab es diese Kooperationen. Dieses System war offenbar im Physik/Informatik/Technik-Unterricht an Gymnasien im Einsatz.

Nach den bereits erwähnten Kästen zur Chemie, Physik und Computer-Technik brachte Philips Deutschland noch viele weitere Baukastenserien, insbesondere zur Elektronik, heraus:

In vielen Ländern wurden die in Deutschland entwickelten Baukästen nicht mehr angeboten. Jedenfalls sind mir zu den deutschen Baukästen bisher keine Übersetzungen in Englisch, Italienisch oder Spanisch bekannt. Dort wurde der Vertrieb offenbar nach dem Abverkauf der in Holland produzierten Baukästen komplett eingestellt.

Einzig erwähnenswert ist das weitere Geschehen in England. Hier hatte Mettoy Playcraft Ltd. die Philiform-Maschinen gekauft. Diese Baukästen wurden mit anderen Nummern und ohne Erwähnung der Fa. Philips weiter produziert. Mettoy hat auch die in Holland entwickelten Baukästen der Serie EE 1000 in leicht abgewandelter Form weiter angeboten.

Zuletzt, ab etwa 1973, gab es nur noch den EE 1050 als "Science Adventure Electronic Set". Das war dann ein reiner Mettoy Baukasten, ohne Erwähnung der Fa. Philips. Genau wie bei den in England produzierten Philiform-Kits.

Kastendeckel EE1050 Manual cover Mettoy EE1050 Kastendeckel des Mettoy Electronic Set Manual cover Mettoy Electronic Set

Ab etwa 1971 gab es in der Science Adventure Serie von Mettoy außerdem ein Electrical- und Optical-Set in gleicher Aufmachung. Trotz der Philips-typischen, konzentrischen Farbringe auf den Kartons haben diese beiden Kits keinen Bezug zu Kästen aus dem Philips-Programm.

Kastendeckel des Mettoy Electrical Set Kastendeckel des Mettoy Optical Set

Die in Deutschland entwickelten und produzierten Baukästen wurden aber zumindest in folgenden Ländern angeboten: Frankreich, Holland, Norwegen, Österreich, Schweden und der Schweiz.

Ein möglicher Grund für die Ablehnung der deutschen Baukästen in den übrigen Ländern könnte sein, dass die Baugruppen aus dem EE 1008/2008 nicht mit den Fernsehnormen in allen Ländern kompatibel waren.

Hierzu noch eine Anekdote von Jean-Louis Bostvironnois: Philips hatte den Baukasten EE 2008 in den 80er Jahren auch in Frankreich verkauft, ohne zu bedenken, dass dort eine andere Fernsehnorm (CCIR L) verwendet wird. Als elfjähriges Kind wusste ich es auch nicht. Da ich weder Ton noch Bild empfangen konnte, sendete ich die Baugruppen nach Hamburg zum Kundendienst, die wenige Wochen später mit dem Vermerk "geprüft i.O." zurückkamen. So endete mein Traum vom eigenen Fernseher.

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Mangold / Schuco

Mit der Entwicklung und Einführung der Elektronikserie 6000 ABC fand ein Übergang von Philips zu Schuco statt. Prof. Dr. Günter Vollmer hat in diesem Zusammenhang das Jahr 1981 in Erinnerung. Genauere Recherchen ergeben den folgenden zeitlichen Ablauf.

Zeitungsausschnitt

In der Ausgabe vom 9. Februar 1982 druckte das SprachkennzeichnungHamburger Abendblatt die nebenstehende Pressemeldung.

Der Vertrag war also schon recht früh im Jahr 1982 unter Dach und Fach. Erste Verhandlungen dürften somit bereits 1981 stattgefunden haben, als die Abenteuer-Sets von Professor Vollmer konzipiert wurden.

1982 gab es den letzten Experimentiertechnik-Katalog im Querformat, der ausschließlich Philips-Produkte beinhaltete. Aus 1982 sind aber bereits die ersten Mangold-Ersatzteil-Preislisten bekannt.

Auch der Katalog von 1983/84 ist noch mit Philips auf der Titelseite gekennzeichnet. Auf der Rückseite steht die Fa. Mangold als Kontaktadresse. Er enthält neben den neuen Experimentierkästen der 6000er Serien auch die früheren EE-, PE- und CE-Kästen. Die ersten Kästen mit dem Schuco-Schriftzug in diesem Katalog sind 6521 Wetterkunde Meteo Lab und  6531 Mikroskopie Bio Welt.

Ab dem Katalog von 1984 steht Schuco auf den Titelseiten. Von den Vorgängerserien dauerte nur der Abverkauf der Physik-Kästen PE 1500 und PE 1540 etwas länger. Sie blieben auch 1984 im Programm. Der Mineralienkasten CE 1460 sogar bis 1985. Nur die Produktpalette der 6000er Kästen wurde von Schuco (Mangold) übernommen und stetig ergänzt oder unter eigenem Namen neu aufgelegt. Die Katalogabbildungen der ehemaligen Philips-Kästen wurden lange Zeit mit schwarzer Farbe retuschiert. In den Handel gelangten jedoch nur Kästen mit weißem Schuco-Schriftzug.

6101 A 6101 A 6101 A

Im Oktober 1986 berichtete das SprachkennzeichnungHandelsblatt über einen Joint-Venture-Vertrag mit dem britischen Hersteller Peter Pan Playthings Ltd., Peterborough und im Januar 1987 mit SprachkennzeichnungJeux Nathan S.A., Paris. Auswirkungen im Experimentierbereich hatte meines Wissens nur letzterer. Noch im Jahr 1987 hatte Schuco die beiden Hobby-Sets Töpferei und Holzgraveur des französischen Herstellers Jeux Laffont zusammen mit dem 6107 G und 6653 A-C als Neuheit angekündigt. Auch bei dem 1989 vorgestellten Stereoskop handelt es sich um ein Lizenzprodukt von Jeux Laffont. Dieser Hersteller hat im Gegenzug zumindest einzelne Kästen der 6000 ABC Elektronik-Serie in Frankreich vermarktet. Im Internet ist über die Experimentierkästen der französischen Hersteller praktisch nichts zu finden. Ein paar Links zu Werbespots dieser Hersteller befinden sich auf den Detailseiten zum 6401 Töpferei und 6533 Stereoskop.

Jeux Laffont B Jeux Laffont C

Die weitere Firmengeschichte des Hauses Schuco kann, quasi aus erster Hand, direkt auf der SprachkennzeichnungHomepage von Schuco nachgelesen werden. Dort auf Unternehmen und Portrait klicken! Anzumerken bleibt mir nur noch, dass die Experimentierkästen, um die es hier geht, nur in der Ära der Familie Mangold hergestellt wurden.

Georg Adam Mangold hatte bereits 1881 die Firma GAMA in Fürth gegründet. 1971 hat GAMA die Fa. Trix und 1980 auch Schuco übernommen. 1993 gab es eine Fusion zwischen GAMA und Trix. Die Produktionsstätten beider Unternehmen wurden in Nürnberg zusammengeführt. Gleichzeitig wurde für Schuco ein eigenes  Management eingesetzt. Mit dem Verkauf von GAMA/Trix an Märklin im Jahre 1996 wurde Schuco wieder eigenständig.

Schuco Experimentiertechnik

Erst 1999 hat sich die Familie Mangold gänzlich aus der Spielzeugbranche zurückgezogen und Schuco wurde von der SprachkennzeichnungSimba/Dickie Gruppe übernommen. Hier wurde die Produktion der Experimentierkasten eingestellt. Der letzte Kasten dürfte irgendwann im Jahr 2001 das Werkslager verlassen haben. Bis 2002 hatte Schuco noch eine Webseite, auf der die vier Grundstufen und die Aufbaustufen der Elektronikserie 6000 ABC gelistet waren. Die 1985 von der Trix Mangold GmbH registrierte Wort-Bildmarke wurde laut dem Deutschen Patent- und Marken-Amt im Jahr 1998 wieder gelöscht und die Akte vernichtet.

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