Bis Anfang Juli 2012 war ich der festen Überzeugung, das geniale
Klemmfedersystem in den
EE Baukästen
ist eine Philips-Erfindung aus dem Jahr 1963. Doch dann hatte ich im Internet
nach Informationen zu frühen Germaniumtransistoren gesucht. Dabei kam ich unter
anderem in das
Transistormuseum
von Jack Ward und machte eine
überraschende
Entdeckung! Seitdem ist meine Überzeugung ins Wanken geraten.
Hoffentlich hat Mr. Ward nichts dagegen, dass ich zur Illustration ein Foto aus seinem Museum kopiert habe. Es ist verkleinert, damit Interessierte möglichst auch seine Seiten besuchen. Meine eigentliche Recherche war jedenfalls ruckzuck vergessen und ich wollte nur noch wissen, was es mit diesem System auf sich hat. Jack Ward hatte ich sogleich angeschrieben und um weitere Details gebeten. Leider ohne Antwort.
Auf der Museumsseite schreibt Jack Ward, dass der US-Autor Len Buckwalter die General Electric Kits entwickelt und das Bauprinzip mit Lochplatten auch in diversen Hobbybüchern publik gemacht hat.
Sein populärstes Buch "Having Fun with Transistors"
hatte ich bald aufgestöbert. Über die vorgestellten Projekte kann man durchaus
geteilter
Meinung sein. Auf dem Rückseitentext stehen die Attribute
"uncanny, weird, unique" (unheimlich, seltsam, einzigartig). Das Wort
"seltsam" passt auf alle Fälle! Aber mir ging es ja nur um das Bauprinzip mit
Lochplatten.
Im Buch wird zwar das sogenannte "Pegboard" als Bauplatte vorgestellt, aber es enthält kein Wort zu den Klemmfedern. Stattdessen wird auf den Lochplatten ein Aufbau mit Schrauben und Muttern vorgeschlagen. Len Buckwalter scheidet dann wohl als Erfinder des Klemmfedersystems aus.
"Pegboard" ist eigentlich ein Handelsname für Hartfaser- und Metall-Lochplatten, die mit verschiedenen Haken, Klammern und anderen Haltern als Ordnungssystem in Keller und Garage verwendet werden. Diese Lochplatten haben üblicherweise ein Lochraster von 1" (~25 mm) und einen Lochdurchmesser von 1/4" (~6 mm). Also ziemlich unpraktische Abmessungen für Elektronikbasteleien! Len Buckwalter hat 6-32 Gewindebauteile (etwas größer als M3) für seine Projekte empfohlen. Das müssen also Platten mit deutlich kleineren Löchern, als in Werkzeugwänden gewesen sein.
In den USA wird der Name
"Pegboard" anscheinend für alle möglichen Lochplatten
in beliebigen Formaten verwendet. Ähnlich wie hierzulande kaum jemand das Wort
"Papiertaschentuch" benutzt, sondern fast immer eine bestimmte Marke genannt
wird. So taucht der Begriff
"Pegboard" beispielsweise auch in
Philips-Werbekampagnen für die
Norelco-Kits
in den USA auf.
In einer Ausgabe des Magazins
Popular
Mechanics
stellt Len Buckwalter
ferner ein Experimentiersystem mit Lochplatte und
Fahnestock clips vor. Das sind Klemmen aus
Blechstreifen, so ähnlich wie in Kosmos Baukästen der 60er Jahre (R+E,
Radiomann, XG). Dazu sind im Heft acht Versuche abgedruckt. Aber auch das ist
etwas völlig anderes und nicht vergleichbar mit dem Klemmfedersystem von
General Electric und Philips.
Die General Electric Kits mit den Klemmfedern wurden
tatsächlich ab 1961 angeboten. Somit etwa zwei Jahre vor den Philips EE
Baukästen. Das ist durch verschiedene Quellen belegt! Zum Beispiel durch die
amtliche Bekanntmachung im
Catalog
of Copyright Entries. Hier eine tabellarische
Übersicht:
Die Preise in der Tabelle sind zur einfacheren Umrechnung in andere Währungen grob gerundet. Der Umrechnungskurs für 1 USD war zu Anfang der 1960er Jahre ziemlich konstant bei 4 DEM; 26 ATS; 3,6 NLG; 4,3 CHF; 4,9 FRF; 5 SEK; 50 BEF; 0,35 GBP und 60 ESP. Das sind die Länder, aus denen die meisten Besucher auf meine Website kommen. Die USA liegen in dieser Top-10 auf Platz acht, vor England und Spanien.
Insbesondere zum Weihnachtsgeschäft 1961 wurden die GE Kits in vielen amerikanischen Zeitschriften angeboten. Bei den Links habe ich nach Möglichkeit solche Seiten ausgewählt, auf denen auch Bilder zu sehen sind.
Doch 1962 wurde es vergleichsweise still um die Kits
und gegen Ende des Jahres vermutlich der Ausverkauf eingeläutet (The
Deseret News). Was ist passiert? Konnte sich
General Electric nicht gegen die Konkurrenz,
beispielsweise von
Heathkit und
RadioShack, durchsetzen? Ließ die Qualität zu wünschen übrig? Hat
Philips die Rechte am Klemmfedersystem gekauft? Sind die EE Baukästen
etwa doch älter und Philips hat eigene Rechte geltend gemacht? Oder war
alles ganz anders? Vielleicht völlig unspektakulär? Fragen über Fragen.
Wer Antworten kennt, möge sich doch bitte melden!
Den "Project"
Baukästen hat übrigens nicht immer das Klemmfedersystem zugrunde
gelegen. So ist das Project 5 (Shortwave radio EF 150)
mit ziemlicher Sicherheit ein Bausatz mit fertig bestückter Platine. Das
Project 3 (Intercom EF 130) ist hingegen mit
Klemmfedern realisiert. Das ist auf den Bildern im
Radiomuseum
deutlich zu erkennen. Dort wird der Aufbau sogar von unten gezeigt. Auch
aus dieser Perspektive scheinen die Klemmen identisch mit den Philips
"Haarnadelfedern" in der alten Bauform bis 1969 zu sein.
Bauformen der Philips Klemmen | |||
---|---|---|---|
bis 1963 | 1963-1969 | 1970-1983 | ab 1983 |
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Erste Bauform mit einseitig verjüngter Klemmfeder |
Klemmfeder in Tonnenform |
Fingerfreundlichere Haarnadelfeder |
Beide Federteile werden gemeinsam in die Lochplatte gedrückt |